Ein Gewerbegebiet in Hall in Tirol. Ein Schild bestätigt mir: Alpengarnelen, hier bin ich richtig. Ein einfacher, moderner Betonbau, ein Parkplatz, wo der Rote Blitz Platz hat. Punktgenau zur vereinbarten Zeit kommt mir Daniel Flock entgegen, gut gelaunt unterschreibt er gerade noch einen Lieferschein und hält mir derweilen die Türe auf.
Durch’s Reden kommen die Leut´ zam
Ich freue mich auf die Alpengarnelen – endlich darf ich sie sehen, quasi kennenlernen. Wir gehen hinein, ich schaue um´s Eck. Außer einer leeren Vitrine und einem kleinen Aquarium sehe ich nicht viel. Daniel betätigt einen Lichtschalter und hinter einer Glasscheibe taucht eine Welt auf. Eine Welt, voll mit langgestreckten Becken. Aus hygienetechnischen Gründen darf ich leider nicht zu ihnen hinein. Dafür ein kleines Schauaquarium, damit ich mir vorstellen kann, wie sie leben. Daniel schaltet das Licht schnell wieder aus – die Garnelen brauchen Ruhe und Dunkelheit, da fühlen sie sich wohl und haben keinen Stress. Über jedem Becken schwebt ein grüner Trichter: der Futterbehälter.
Was ist Aquakultur?
Was ist eine Reuse?
Auf zwei Stockwerken und 1300m2 Grundfläche wohnen die Alpengarnelen. Ihr Zuhause: Gebaut aus Beton, gut isoliert und energieeffizient. Bei 30 Grad fühlen sie sich wohl. Beheizt wird das Wasser aus eigener Kraft: Solarpanele und Photovoltaik versorgen den gesamten Betrieb mit Strom und Warmwasser. Das Wasser: bestes Tiroler Alpenquellwasser. Die Becken werden einmal gefüllt und mit Salz angereichert. Das Wasser fließt durch Biofilter und wird so gereinigt. Lediglich das Wasser, das durch die hohen Temperaturen verdunstet, muss nachgefüllt werden. Alles andere wird hier im Kreislauf geführt – Nachhaltigkeit großgeschrieben.
Warum Garnelen in Tirol, warum Alpengarnelen?
Garnelen werden weltweit unter großem Medikamenten- und Pestizideinsatz erzeugt. Dabei fällt jede Menge Abwasser an. Mangrovenwälder werden für die Produktion abgeholzt und die Garnelen um die ganze Welt geschickt. „Da muss es doch einen anderen Weg geben“, haben sich Daniel und sein Cousin Markus gedacht. Daraufhin ist die Leidenschaft entbrannt und es wurde recherchiert und vernetzt. Auf der ganzen Welt haben die beiden Partner – denn in Österreich sind sie die ersten mit dieser Idee. Beide sind Techniker und haben die Aquakulturanlage hier selbst geplant.
Aller Anfang ist schwer: Zu Beginn war es schwierig, ohne Know-How und Kontakten zu Experten in die Thematik zu finden. Mühsam haben Daniel und Markus Daten gesammelt und ein Netzwerk aufgebaut. Die Beiden wurden belächelt. Nach 2 Jahren intensiver Nachforschung haben sie dann eine erste kleine Testanlage in Betrieb genommen. Diese erste Indoor-Garnelenfarm in Österreich hatte es allerdings in sich. Mit einer Jahresproduktionsmenge von gerade mal 200kg haben sie erste Erfahrungen gesammelt.
Es galt die Garnele und ihre Bedürfnisse zu erforschen – der richtige Umgang mit der Wasseraufbereitung will gelernt sein. Rückschläge waren keine Seltenheit. Doch fast täglich zeigten sich Lernerfolge bis hin zur ersten erfolgreichen Ernte – ja Garnelen werden geerntet, wie Gurken, quasi. Von da an gab es kein Halten mehr. Die beiden wurden von Anfragen überschwemmt, das Verlangen nach einer fangfrischen Garnele aus heimischer Aquakultur ist zweifellos vorhanden
Von Zuchtgarnelen, Corona, Kunden und Transportwegen
Auch in Corona-Zeiten war nicht die Nachfrage nach frischen Garnelen das was ausblieb, sondern der Nachschub an Garnelenlarven (vulgo Babies) aus Deutschland. Daniel forscht zwar unermüdlich daran, die Garnelen selbst zu züchten und arbeitet mit spezialisierten Biologen zusammen. Doch Garnelenzüchten ist sichtlich eine hohe Kunst. Und ohne Nachwuchs keine Garnelenzukunft. Jetzt sind die Grenzen offen und die Garnelenbecken wieder voll. Die Alpengarnelen werden mit einem spezialisierten Logistikunternehmen in Styroporboxen in Österreich verschickt. Mindestbestellwert: ein halbes Kilo. Auf die Frage, wie man die Transportwege nachhaltiger gestalten könnte verweist Daniel auf die FAQ auf der Homepage: „Wir halten unsere Kunden dazu an gemeinsam mit Freunden oder Verwandten zu bestellen, damit sich die Transportweg auszahlen.
Tierwohl bei Garnelen: echt jetzt?
Lebewesen ist Lebewesen – da macht Daniel keine Abstriche. Von der Wassertemperatur, über das Futter bis hin zum Platzangebot: die Alpengarnele ist eine Luxusgarnele. Damit wir sie essen können, müssen die Garnelen nun mal sterben. Direkt nach dem Ernten, werden sie auf Eis gelegt. Sie sind sofort tot. Das ist die schonendste Methode, versichert mir Daniel.
Der Garnelenbauer und die Freizeit
Weil unser Soziologe Defluencer alias Wilhelm Geiger besonders auf die Frage steht, wie denn für so einen Bauern der Freizeitbegriff definiert ist und was seine von unserer Lebenswelt unterschiedet, habe ich das natürlich auch nachgefragt – man holt sich ja ungern eine Watschn von einem Bobo. Also Daniel und die Freizeit: der 27-jährige trennt Arbeitszeit und Freizeit mittlerweile strickt. Das war früher anders und das Hamsterrad ist gelaufen, bis es fast nicht mehr ging. Am eigenen Betrieb könnte man ja sonst 24 Stunden am Tag arbeiten. Es gäbe immer etwas zu tun. Alpengarnelenfarm und Wohnort sind örtlich getrennt – das macht es einfacher. Die Einstellung geht in Richtung Work-Life-Balance.
jetzt wird´s noch kulinarisch …
Durch’s Essen kommen die Leut´ zam | Rezept
Als Abschiedsgeschenk drückt mir Daniel eine Styroporbox in die Hände:1,5 Kilo Alpengarnelen. Nur für mich. Mir geht das Herz auf.
Wo könnten sich Alpengarnelen wohler fühlen als auf dem Berg? Die Garnelen reisen mit mir von Hall in Tirol zum Bergerhof in der steirischen Krakau. Nach 6 Stunden Autofahrt über Bergstraßen mit dem Roten Blitz kommt mir die Idee: Alpengarnelen und Alpenschwein, das muss fast sein.
Wie man tut … (vulgo Zubereitung)
Die Alpenschweinfilets in Öl mit Rosmarin und Pfeffer vollgas von allen Seiten anbraten. Derweil das Rohr auf 200 Grad Umluft vorheizen. Für Bergbauern oder Vollbobos bedeutet das, dem Holzofen richtig Stoff zu geben. Die angebratenen Filets fest in Alufolie wickeln und circa 30 Minuten im Rohr schmurgeln lassen. Immer wieder testen, wies tut: Jedes Stück Fleisch ist anders. Einfach ausprobieren. Derweilen die Nudeln al dente kochen, abseihen, Olivenöl, Parmesan und Zitronenschale nach Geschmack. Eine Pfanne erhitzen bis es raucht, die Alpengarnelen in wenig Öl scharf anbraten bis sie rosa sind. Mit Zitronenschale und ein bisschen Pfeffer verfeinern – Ende. Das Alpenschweinfilet mit Garnelen und Nudeln am Teller vereinen, Saftl drüber – fertig. Deppeneinfach – Schweinegeil. Sagt auch der Oberbobo Florian Klenk.
Was man nimmt … (vulgo Zutaten)
- 4 Alpenschweinfilets vom Bergerhof in der Krakauebene
- 2 Handvoll Alpengarnelen
- Rosmarin
- Olivenöl
- Pfeffer – frisch gemahlen! Das Pulver könnt ihr gleich wieder zurück ins Regal stellen. Ernsthaft!
- Salz
- Frische Bandnudeln mit Ei
- Zitronenschale
- Parmesan – ebenfalls frisch gerieben
0 Kommentare