Das Rendezvous mit deinem Kühlschrank – Folge 1

von | Mai 20, 2022 | Meinungen & Perspektiven, von euch

In wenigen Worten

Rund um die Uhr können wir heute frische Lebensmittel aus aller Welt beziehen. Wir wissen heute sehr viel über die Haltbarmachung und Lagerung von Lebensmitteln. Theoretisch! Unser Ernährungssystem ist aber weder fair noch nachhaltig. Wie können wir bewusster einkaufen und unser Essen mehr wertschätzen?

Seit gut einem Jahr höre ich jede neue Folge vom B2P Podcast. Warum? Vielleicht um Antworten auf Fragen zu finden, wie etwa: Wo kommen unsere Lebensmittel her? Wer produziert sie? Wie ernähren wir uns? Und ich möchte erfahren: Wie sieht die Zukunft unserer Esskultur aus? Wie lange werden wir noch Pomelos aus China, Rindfleisch aus Argentinien oder Äpfel aus Neuseeland in unseren Supermärkten finden?

Berührt hat mich die B2P Folge mit Gerhard Steiner (Link) von den SOMA Märkten, der sich neben all seinem Schaffen als Unternehmer und Manager auch von seiner verletzlichen Seite zeigte. Tief traurig sprach er über die Armut von Menschen in Österreich in einer Welt des Überflusses. Oder ich erinnere mich auch an die Folge mit der Familie Berger (Link). Ich hatte die großen fleischverarbeitenden Betriebe längst in einen Topf geworfen. Ich hatte ein Bild von Betrieben vor Augen, die nur auf Gewinnmaximierung aus sind, ohne Bewusstsein dafür, welche Folgen ihr Handeln auf Umwelt und Tier hat. Es zeigte sich, dass sich Familie Berger durchaus mit der aktuellen Situation – mit Klimakrise und Co – auseinandersetzt und ein Umdenken auch bei ihnen im Gang ist. Das hat mich sehr überrascht.

Auf eine Frage, die stets am Ende einer Folge gestellt wird, bin ich mich immer am meisten gespannt. Nämlich die Frage: „Was befindet sich in eurem/Ihrem Kühlschrank?“ Die Kühlschränke in unseren Haushalten und deren Inhalte verraten sehr viel darüber, wie wir Menschen konsumieren, zu welchen Produkten wir greifen und warum.

B2P Podcast beim Frühstück

 

Unser Essverhalten – ein Luxusproblem?

Dass jeder Mensch heute Lebensmittel im Kühlschrank lagern und so die Haltbarkeit eines Produkts verlängern kann, ist ein großes Privileg. Noch vor hundert Jahren wäre das in dem Stil, wie wir Kühlung heute betreiben, undenkbar gewesen.

Industrialisierung und Elektrifizierung haben es so weit gebracht, dass wir mittlerweile unsere Einkäufe sehr leicht kühlen können. Die Globalisierung und die technologischen Fortschritte in der Landwirtschaft wiederum sorgen dafür, dass es möglich ist, rund um die Uhr frische Lebensmittel aus aller Welt zu beziehen. Das hat einiges in puncto Ernährung in unserem Alltag vereinfacht, könnte man meinen.

Welche Auswirkungen hat dieser Komfort? Wie weit sind wir gekommen?

Wir verfügen heute (theoretisch!) über jegliche Ressource und über das Know-how, um bewusst und nachhaltig leben zu können. Dennoch: Unsere Ernährung ist weder fair noch fortschrittlich. Die UNICEF berichtete letztes Jahr, dass in etwa 9,9 % der Weltbevölkerung unterernährt ist. „2020 ist die Prävalenz von moderater oder schwerer Ernährungsunsicherheit so stark angestiegen wie in den vergangenen fünf Jahren zusammen.“, fasst die UNO im Juli 2021 zusammen.

In unseren Breitengraden gilt: Die Menschen, die über ausreichend Geld und Bildung verfügen, können es sich leisten, sich gesund zu ernähren. Aber auch in Europa hungern Menschen oder leiden an Mangelerscheinungen. Auf der anderen Seite: Ein Viertel der Weltbevölkerung ist übergewichtig. Bewegungsmangel und schlechte Ernährung schwächen das Immunsystem, machen uns krank und führen dazu, dass unser Gesundheitssystem überlastet ist.

Ich könnte jetzt noch anfangen, Zahlen und Fakten über die Lebensmittelverschwendung in Europa aufzulisten. Ich könnte recherchieren, wie viele Bauern täglich aufhören. Oder ich beschäftige mich damit, wie viele Menschen in Österreich mit Essstörungen zu kämpfen haben.

 

Wie kann die Situation verbessert werden?

Ja, all diese Verschwendung passiert und all diese Probleme rund um das Thema Essen tun sich auf. Nicht gerade ermutigend! Was tun? Überlegen wir uns doch, wie wir individuell im Alltag anders einkaufen können!

Oft sage ich mir: Das bringt doch eh nichts! Warum soll ich meine Essgewohnheiten und mein Einkaufsverhalten ändern? Was ändert das schon am System? Das ist gar nicht so eine einfache Frage. Wie viel es wirklich bringt, kann ich nicht sagen. Meine Erfahrung aber zeigt: Mein Wohlbefinden wird durch diese kleinen Veränderungen im Alltag gesteigert und mein Gewissen beruhigt sich.

Hier also 11 Ideen und Fragen für ein bewusstes Einkaufen:

 

  1. Bevor du einkaufen gehst: Schau in deinen Kühlschrank und überlege: Was ist noch da?
    Welche Produkte sind bereits geöffnet und müssen aufgebraucht werden? Welche sind noch verschlossen? Welche müssen bald aufgebraucht werden? Welche halten länger?
  2. Schreibe eine Einkaufsliste bzw. überlege dir gut, was du wirklich brauchst, bevor du das Geschäft betrittst!
  3. Welche Produkte kaufe ich auf Vorrat? Bei welchen Lebensmitteln ist es sinnvoller, zu
    kleineren Packungen zu greifen?
  4. Was esse ich gerne und was tut mir gut?
  5. Geh nicht hungrig einkaufen!
  6. Muss es jeden Tag eine Banane oder ein Kaffee sein? Schmeckt mir vielleicht auch ein
    heimischer Apfel oder ein Kräutertee?
  7. Ist mir der Preis am wichtigsten oder habe ich vielleicht im Moment ein paar Euro übrig, um zu einem regionalen Produkt zu greifen?
  8. Geld sparen: Woher nehme ich Geld, wenn ich nicht so viel habe? Kann ich z. B. im Alltag bestimmte Wege ohne Auto zurücklegen und mir so ein wenig Geld sparen? Muss ich mir jeden Tag einen Coffee-to-go holen oder könnte ich auch meinen Kaffee zu Hause zubereiten und diesen dann mitnehmen?
  9. Wie flexibel bin ich? Kann ich in der Früh zum Wochenmarkt gehen oder bei den Bauern in der Umgebung einkaufen?
  10. Gibt es in meiner Nähe Organisationen, die einen Beitrag gegen Lebensmittelverschwendung leisten (Foodsharing, Containergruppen, Foodcoops, …)? Könnte ich von dort Lebensmittel beziehen?
  11. Mittlerweile gibt es in fast jeder Region die Möglichkeit, ein Gemüsekisterl zu bestellen. Gibt es das bei dir auch? Mach dich mal schlau!
Brot

Fazit

Wenn diese Ideen für dich/euch nach Einschränkung klingen: Ja, es ist ein Verzichten auf gewisse lieb gewonnene Produkte. Ja, es bedeutet Disziplin, sich selbst und sein Ess- und Einkaufsverhalten regelmäßig zu hinterfragen. Ja, manchmal ist es im Alltag angenehmer, einfach den Warenkorb zu füllen, ohne zu überlegen, ob man das alles wirklich braucht. Aber: Wenn du bewusst überlegst, was du wirklich brauchst und was nicht, bleibt dir am Ende Geld übrig.

Für mich hat sich außerdem gezeigt, dass mir das Essen viel mehr Freude bereitet, wenn ich mich für jedes Produkt bewusst entschieden habe und wenn ich weiß, wo es herkommt. Die Einfachheit, die Reduktion, die Qualität sind für mich zum eigentlichen Reichtum geworden.
Probiert es mal aus!

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Katharina Godler
Katharina Godler lebt als freie Autorin und Journalistin in Klagenfurt am Wörthersee und arbeitet u. a. für Ö1, 3sat und Radio Agora 105|5.

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